KOLUMNE AUS DER WUNDVERSORGUNG VON KERSTIN PROTZ
Die nachfolgenden Informationen basieren auf der Veröffentlichung „Produktanwendungsstandard: Zeitgemäße Produkte zur Keimreduktion in Wunden“ des Wundzentrum Hamburg e. V. (www.wundzentrum-hamburg.de) und sind in diesem Beitrag zusammenfassend dargestellt und um weiterführende Informationen erweitert.
Die Behandlung einer lokalen Wundinfektion steht immer im Vordergrund der Wundtherapie. Bei diagnostizierter systemischer Infektion ist die Gabe eines systemischen Antibiotikums nach Antibiogramm zu überdenken. Lokalantibiotika zur Wundbehandlung gelten nach übereinstimmenden Empfehlungen vieler medizinischer Fachgesellschaften Publikationen (Kramer et al. 2018) als obsolet, da sie zu einer Resistenzbildung sowie lokalen Unverträglichkeiten und Allergien führen können.
Da es zu diesem Thema keinen abschließenden Sachstand geben kann, ist jeder Nutzer der nachfolgenden Zusammenstellung aufgefordert, die aktuelle Diskussion zu verfolgen und auf die Zulassung neuer Produkte zu achten.
Generell gilt: Nur wenn ein Produkt als Arzneimittel oder Medizinprodukt zugelassen ist und gemäß der Packungsbeilage für die Behandlung von Wunden indiziert ist, darf es in der Wunde angewendet werden.
Ziele
- Rationaler Einsatz zugelassener Arzneimittel und Medizinprodukte, z. B. Verbandmittel, zur lokalen Keimreduktion in Wunden
- Vermeidung von Off-Label-Therapie
- Koordiniertes Vorgehen aller an der Wundversorgung beteiligten Personen
- Beachtung gesetzlicher Grundlagen
- Förderung des Wundheilungsprozesses und der Lebensqualität
Einteilung
- Wundantiseptika
- Medizinprodukte ohne Wirkstoffe
- Medizinprodukte mit Wirkstoffen
Wundantiseptika wirken bakterizid oder bakteriostatisch, fungizid oder fungistatisch sowie viruzid. Sie ergänzen den rein mechanischen Effekt einer Wundspülung durch ihre antiseptische Wirkung, d. h. Erreger werden nicht nur ausgespült, sondern auch abgetötet. Allerdings ist hierfür die jeweilige Einwirkzeit zu beachten. Indikationen für den Einsatz von Wundantiseptika sind infektgefährdete, kritisch kolonisierte und infizierte Wunden. Der Einsatz von Antiseptika erfolgt daher befristet und beschränkt sich auf die Dekontamination von infektgefährdeten und infizierten Wunden.
Cave! Es gibt diverse Wundspüllösungen, die Polihexanid, Octenidin, hypochlorige Säure (Chlorbleichlauge) und Natriumhypochlorit sowie andere Stoffe als Konservierung, also als Zusatz, enthalten. Diese sind als Medizinprodukte zugelassen. Trotz der genannten antiseptischen Zusätze sind diese Produkte keine Antiseptika. Bei ihrer Anwendung steht der physikalische Reinigungsprozess der Spülung im Vordergrund. Infizierte und kritisch kolonisierte Wunden sind grundsätzlich mit zeitgemäßen Antiseptika zu behandeln.
Merkmale zeitgemäßer Wundantiseptika:
- Farblos
- Schmerzfrei
- Nicht resorbierbar
- Nicht toxisch
- Ohne Lücken im Spektrum
- Ohne Resistenzen
- Ohne Allergiepotential
- Geringe oder fehlende Wundheilungshemmung
Wundantiseptika mit dem Wirkstoff Octenidindihydrochlorid
Eigenschaften |
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Nebenwirkungen/ Komplikationen |
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Kontraindikationen |
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Hinweise |
Die Firma Schülke & Mayr empfiehlt das Präparat, wie folgt, zu nutzen:
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Beispielhafte Produktnennung |
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Wundantiseptika mit dem Wirkstoff Polihexanid
Eigenschaften |
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Nebenwirkungen/ Komplikationen |
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Kontraindikationen |
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Hinweis |
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Beispielhafte Produktnennungen |
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Wundantiseptika mit dem Wirkstoff PVP-Jod
Eigenschaften |
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Nebenwirkungen/ Komplikationen |
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Kontraindikationen |
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Hinweis |
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Beispielhafte Produktnennungen | z. B. Betaisodona®, PVP-Jod Ratiopharm®, Braunovidon® |
Allgemeine Hinweise zu Wundantiseptika
- Antiseptika sind zugelassene Arzneimittel
- Herstellerangaben zu Indikationen und zu Kontraindikationen sind zu berücksichtigen
- Lokalantibiotika sollten nicht mehr verwendet werden
- Der Einsatz von veralteten Antiseptika auf Basis von Quecksilbersalzen (Mercuchrom®), Farbstoffen, Wasserstoffperoxid, Ethacridinlactat (Rivanol®) ist aus verschiedenen Gründen nicht mehr zu empfehlen. Einige Produkte sind in Deutschland nicht mehr zugelassen, andere färben und verfärben, sind zelltoxisch, schmerzauslösend und stören die Wundheilung.
Hydrophobe Wundauflagen
Abb 1: Silberhaltige Wundauflage und hydrophobe Wundauflage
Eigenschaften:
- Sind mit dem unlöslichen Wirkstoff Dialkylcarbamoylchlorid (DACC) bedampft und von grüner Farbe.
- DACC bindet auf physikalische Weise die ebenfalls hydrophoben Wundbakterien und Pilze, tötet sie aber nicht ab. So werden mit jedem Verbandwechsel Keime aus der Wunde entfernt und die Bakterienmenge wird reduziert.
- Sind als Tupfer, Kompresse, Saugkompresse, Vlieskompresse mit Superabsorber, Polyurethanschaumverband mit Superabsorber, Gelkompresse, Tamponade und als hydroaktive Wundauflage mit hochabsorbierender Hydropolymermatrix für Exsudatmanagement erhältlich.
Anwendungshinweise/Kontraindikationen:
- Bekannte Überempfindlichkeit/Allergie gegen Bestandteile der Wundauflage
- Keine Kombination mit Ölen, Fetten, Salben, Salbenkompressen, da die hydrophobe Wechselwirkung so nicht stattfinden kann
- Nicht zusammen mit oxidierenden Lösungen, wie Hypochlorid oder Wasserstoffperoxid, verwenden*
- Trockene Wunden*
- Um die Tamponaden aus tiefen Höhlen/Fistelgängen gut entfernen zu können, sollten diese ca. 3-4 cm am Ende aus dem Gang herausragen
- Ja nach Produkt Sekundärverband erforderlich
- Verweildauer: 1-4 Tage, je nach Produkt und Exsudation (siehe Packungsbeilage)
*gilt für den Polyurethanschaum mit Superabsorber
Silberhaltige Wundauflagen
Abb 2: Erschöpfter silberhaltiger PU-Schaum
Eigenschaften:
- Enthalten Silber in sehr unterschiedlichen Mengen; einige setzen Silber frei
- Sind u. a. als Aktivkohleauflagen mit Silber, als beschichtete Schaumverbände, Alginate, Wunddistanzgitter, Gel, Spray, Hydrofaser erhältlich
- Silberionen töten auf verschiedene Weise Bakterien und andere Mikroorganismen ab oder hemmen ihr Wachstum
- In der Kombination mit Aktivkohle werden zusätzlich Wundgerüche und Toxine gebunden
- Silberionen und elementares Silber sind in-vitro außerordentlich wirksam und reduzieren relevante Wundkeime. Wundauflagen, die Silberionen freisetzen, stellen im Rahmen der Herstellerindikationen eine Bereicherung der Therapie lokal infizierter Wunden dar
- Silbernitrat ist als starke Säure äußerst aggressiv, hat mit der Diskussion über moderne Silberverbände nichts zu tun und gilt für die Therapie als obsolet
Anwendungshinweise/Kontraindikationen:
- Bekannte Überempfindlichkeit/Allergie gegen Bestandteile der Wundauflage oder den Wirkstoff, z. B. Silberallergie
- Produkte, die das verschreibungspflichtige Sulfonamid Silbersulfadiazin (SSD) enthalten, dürfen nicht bei Frauen in der Schwangerschaft oder Stillzeit oder bei Neu-/ Frühgeborenen angewendet werden; Sulfonamide können Kernikterus verursachen
- Zum Teil vorübergehende Schwarzfärbung der Wunde und der Umgebungshaut durch freigesetzte Silberionen
- Einige Produkte sind nicht zusammen mit Octenisept®, andere Produkte sind nicht zusammen mit Ringer- oder physiologischer Kochsalzlösung einsetzbar (Packungsbeilage beachten)
- Zum Teil nicht kompatibel mit Magnetresonanz-Bildverfahren (MRI)
- Kein Kontakt bei elektronischen Messungen zu Elektroden oder leitenden Gels
- Zum Teil nicht zusammen mit Produkten auf Ölbasis, wie Paraffin, einsetzbar
- Einige Produkte benötigen einen Sekundärverband
- Verweildauer: 1-7 Tage, je nach Produkt, Exsudation und Wunde (siehe Packungsbeilage)
Wundauflagen mit Polihexanid (PHMB)
Abb 3: Wundbehandlung mit feuchter Zellulose und PHMB
Eigenschaften:
- Polihexanid tötet Bakterien und andere Mikroorganismen ab oder hemmt ihr Wachstum.
- Polihexanid ist in-vitro außerordentlich wirksam und reduziert die relevanten Wundkeime. Wundauflagen, die PHMB freisetzen, stellen im Rahmen der Herstellerindikationen eine Bereicherung der Therapie infizierter Wunden dar.
- Sind mit viel oder wenig PHMB, in freisetzender oder im Verband verbleibender Form, erhältlich.
Anwendungshinweise/Kontraindikationen:
- Nebenwirkungen, bis auf gelegentliche lokale Irritationen sind nicht beschrieben worden
- Selten wird über Resistenzen von Bakterien gegenüber PHMB berichtet und publiziert.
- Herstellerinformationen beachten, da die Produkte sehr unterschiedlich im Aufbau und ihrer Anwendung sind
- Einige Produkte benötigen einen Sekundärverband
- Verweildauer: bis zu 7 Tage, je nach Produkt (siehe Packungsbeilage)
- Das Medizinproduktegesetz (MPG) erlaubt in physikalisch wirksamen Produkten auch das Vorhandensein von Wirkstoffen, wenn die physikalische Wirkung der Wundauflage eindeutig im Vordergrund steht.
- Generell sind keimtötende oder -bindende Produkte nur indiziert, wenn Keime in der Wunde erkennbar stören oder die Wunde lokal infiziert ist.
- Die Kosten für den Einsatz von Arzneimitteln und Medizinprodukten sind hoch. Daher ist die Indikation für ihren Einsatz eng zu stellen.
- Der Einsatz von keimreduzierenden Verbänden ist nur für einen überschaubaren Zeitraum indiziert. Dies bedeutet, dass nach 14 Tagen die Therapie zu überprüfen und neu festzulegen ist.
Die nachfolgende Tabelle dient als Orientierung für Behandlungsstrategien bei verschiedenen Besiedlungsstadien in Wunden.
Besiedlungsstadien und Therapiemöglichkeiten
Besiedlung | Infektionsrisiko | Maßnahmen |
Kontaminierte Wunde | Nicht infektionsgefährdet | Wundspülung und Reinigung; bei Bedarf Débridement |
Kolonisierte Wunde | Nicht infektionsgefährdet | Wundspülung und Reinigung; bei Bedarf Débridement |
Kritisch kolonisierte Wunde | Infektionsgefährdet | Wundspülung und Reinigung; bei Bedarf Débridement; Einsatz von Antiseptika und antimikrobielle Lokaltherapie |
Lokal infizierte Wunde | Lokale Infektion | Wundspülung und Reinigung; chirurgisches Débridement; Einsatz von Antiseptika und antimikrobielle Lokaltherapie |
Systemische Infektion bei infizierter Wunde | Systemische Infektion | Wundspülung und Reinigung; chirurgisches Débridement; Einsatz von Antiseptika und systemische antimikrobielle Therapie |
Kerstin Protz, Gesundheits- und Krankenpflegerin, Projektmanagerin Wundforschung im Institut für Versorgungsforschung in der Dermatologie und bei Pflegeberufen (IVDP) am Uniklinikum Hamburg-Eppendorf, Referentin für Wundversorgungskonzepte, Vorstandsmitglied Wundzentrum Hamburg e.V.
Literatur:
Bültemann A, Daum H, Sellmer W. Wundfibel – Wunden versorgen, behandeln, heilen. 3. Auflage, Medizinisch Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft, 2018.
Dissemond J. Chronische Wunden und Bakterien, Der Hautarzt, Springer Medizin, 2014 (1); 65:10-14.
Kramer A et al. Consensus on Wound Antisepsis: Update 2018. Skin Pharmacol Physiol. 2018; 31(1): 28–58.
Protz K, Timm J H. Moderne Wundversorgung. 9. Auflage, Elsevier Verlag München, 2019.
Vasel - Biergans A (2017). 4. Auflage, Wundauflagen für die Kitteltasche (Band 1 Konventionelle und hydroaktive Wundauflagen, Band 2 Spezielle Wundversorgung und Produkte für den Handverkauf), Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft mbH
Wundzentrum Hamburg e. V.: www.wundzentrum-hamburg.de
Packungsbeilagen und Fachinformationen der jeweiligen Produkte und Herstellerinformationen.